Im Anschluss an den Leitartikel HIER
(1) Adipositas (Fettleibigkeit)
Als Fettleibigkeit wird eine übermäßige Ansammlung von Fettgewebe bezeichnet. Problematischer als die Krankheit selbst können die Folgeerkrankungen wie Arthrosen, Diabetes, Bluthochdruck, Kurzatmigkeit, die Förderung des Wachstums von Zysten und Tumoren sein sowie eine Verkürzung der Lebenserwartung.
Aus ayurvedischer Sicht reduziert sich im Alter generell das Feuer-Element. Der dadurch herabgesetzte Primäre- und Gewebestoffwechsel (Jatharagni und Bhutagni) fördert die Tendenz zu einer Gewichtszunahme, vor allem bei Menschen mit Wasser-Erde-Element (Kapha, Vata-Kapha und Pitta-Kapha Prakriti) in ihrer Grundkonstitution. Deshalb haben bei älteren Mensachen Bewegungsarmut, kalte Speisen und Getränke besonders negative Auswirkungen. Die Beweglichkeit sollte unbedingt bis ins hohe Alter erhalten bleiben, denn nur so ist gewährleistet, dass die Älteren auch in Bewegung bleiben und das ist die beste Prävention bei Fettleibigkeit. Extrem belastend sind Tagesschlaf und im Allgemeinen zu langer Schlaf. Damit werden die schweren Elemente im Körper gefördert, anstatt ihnen entgegenzuwirken. Einsamkeit, Mangel an sozialen Kontakten, Altersdepression sind psychologisch bedingte Ursachen für Fettleibigkeit. Hinzu kommt noch die familiäre Belastung als weiterer ätiologischer Faktor.
Therapie: Die beiden intensiven ausleitenden Verfahren des Pancakarma wie therapeutische Erbrechen (Vamana) und Abführen (Virecana) werden in Verbindung mit gewebereduzierenden physikalischen Maßnahmen nacheinander oder einzeln durchgeführt. Wirksame Medikamente bei Fettleibigkeit sind Anthalea azadirachta (Nimba), Commiphora mukul (Guggulu), Weihrauch (Shallaki), Boerhaavia diffusa (Punarnava) und Extrakt aus Schieferöl (Shilajit).
Ernährung: Eine strikte Kapha reduzierende Ernährung ist hier angezeigt. Das bedeutet ausschließlich gekochte, warme Speisen und Getränke, die mit bitteren und scharfen Gewürzen und möglichst wenig Fett (ideal ist Sesamöl) zubereitet werden. Auf normales Salz sollte vollständig verzichtet werden. Kräutersalz oder naturbelassenes Steinsalz in geringen Mengen sind angezeigt. Um das Verdauungsfeuer anzuheizen, sollten Sie vor jeder Mahlzeit ein Stück frischen Ingwer kauen. Für mehr Geschmack sorgt, wenn Sie den Ingwer in ganz feine Stücke zerhacken, diese mit einem Schuss frischen Zitronensaft und etwas Honig vermischen und einnehmen. Nach der Mahlzeit kann ein Digestif aus bitteren Pflanzen die Verdauung anregen. Zum Beispiel können Sie sich in der Apotheke Frischpress-Säfte von Artischocken, Brennnesseln oder Löwenzahn besorgen und die vorgeschrieben Menge einnehmen.
Lifestyle: Möglichst viel geistig, soziale und körperliche Bewegung sind ein absolutes Muss. Sie sollten sich aber weder überfordern noch ein schlechtes Gewissen haben, wenn Sie einmal nicht nach Plan Sport treiben oder bei einem freudigen Anlass etwas über die Stränge geschlagen haben.
(2) Arteriosklerose (Arterienverkalkung)
Arterienverkalkung ist im normalen Verlauf ein natürlicher Alterungsprozess. Dabei findet eine Veränderung der Blutgefässe statt. Die Gefäßwände lagern Fett ein, verkalken, verlieren an Elastizität und der Gefäßdurchmesser verengt sich zunehmend. Diese Ablagerungen werden Plaques genannt. Die Folge: Das Blut kann nicht mehr ungehindert fließen.
Folgende Risikofaktoren fördern die Plaquebildung und führen dazu, dass diese früher einsetzt: Rauchen, Zuckerkrankheit, erhöhter Blutdruck, erhöhter Cholesterinspiegel, Übergewicht, Bewegungsmangel, negativer Stress, erhöhte Werte der Aminosäure Homocystein oder des C-reaktiven Proteins (CRP). Je nachdem, an welchen Gefäßen solche Veränderungen auftreten, können folgende Symptome erscheinen: Im Gehirn führt Arteriosklerose möglicherweise zu Schlaganfällen (Apoplexien). Die Folge davon kann eine halbseitige Lähmung sein. Am Herzen zeigt sich Arterienverkalkung in Form von Herzenge (Angina pectoris), Herzschwäche (Herzinsuffizienz) oder Herzinfarkt. Arterienverkalkung in den Nierengefäßen kann einen hohen Blutdruck und Nierenversagen bewirken. In den Beinen treten in Verbindung mit grösserer Belastung Schmerzen auf, später auch beim Gehen (Claudicatio intermittens bzw. Raucherbein oder Schaufensterkrankheit). Bei Männern führt die Arterienverkalkung in den Beckenarterien unter Umständen zu Impotenz.
Therapie: Die moderne Medizin ist überzeugt, dass Arterienverkalkung nicht geheilt, sondern nur durch Vorbeugung vermieden werden kann. In der Ayurveda Medizin sind wird da anderer Meinung. Prof. Udupa hat in seinen Langzeitstudien an der Benares Hindu University über zwei Jahrzehnte gesicherte klinische Studien durchgeführt, die eindeutig die positive Wirkung bei Arteriosklerose von Extrakten der Rinde von Terminalia arjuna belegen, ein Medikament, das in der Ayurveda seit Tausenden von Jahren bekannt ist. In meiner Praxis habe ich damit sehr großen Erfolg. Die Extrakte von Terminalia arjuna gibt es in verschieden Darreichungsformen, wie zum Beispiel Parthadyarishtam, einem Kräuterwein oder als reines Kräuterkonzentrat (5:1 herb ratio): Die Wirkung der Terminalia arjuna kann eindeutig erhöht werden, wenn täglich Atemübungen (Pranayama = Yoga-Atmung) durchgeführt werden. Eine deutliche Verbesserung der Durchlässigkeit der Gefäße stellt sich nach Langzeiteinnahme von 6 Monaten bis zu einem Jahr ein. Die Symptome von Angina pectoris und andere nehmen hingegen schon nach ein paar Tagen Einnahme ab. In der klassischen Literatur sind frische Milchabkochungen des Rindenpulvers in einer Dosis bis zu 6 g auf eine Tasse Milch beschrieben. Die Milch lindert die adstringierende Wirkung und macht das Präparat verträglicher vor allem für ältere Menschen. Bei Übergewichtigkeit, hohen Cholesterinwerten oder einer Milchunverträglichkeit kommt das reine Pulver oder Konzentrat in geringerer Dosierung zum Einsatz. Blutegeltherapien verringern die Gefahr von Thrombosebildung, können die Blutwerte verbessern und reduzieren die Plaquebildung. Sie werden in der Ayurveda wie auch der europäischen Naturheilkunde wieder vermehrt eingesetzt.
Ernährung: Eine ebenso herausragend Rolle wie bei der Übergewichtigkeit spielt auch bei der Arterienverkalkung die Ernährungsweise. Während bei Übergewicht in den allermeisten Fällen eine Kapha reduzierende Ernährungsweise empfohlen werden muss, ist es bei Arteriosklerose nicht ganz so einfach. Hier muss die Ayurveda Grundkonstitution in den Diätplan miteinbezogen werden. Zum Beispiel können Menschen mit hohem Vata-Anteil in Ihrer Grundkonstitution nicht einfach auf eine anti-Kapha Ernährung umgestellt werden, weil eine solche sehr leicht ist und den erhöhten Nährstoffanforderungen von Vata nicht genügen würde. Sicher gilt für alle Typen, dass grundsätzlich nur warme, frisch gekochte Speisen und Getränke eingenommen werden sollten. Auf die „guten“ Fette von frisch gepressten pflanzlichen Ölen darf auf keinen Fall verzichtet werden. Hingegen sollen tierische Fette möglichst vermieden werden. In Fett oder Öl gebackene Speisen müssen weggelassen werden.
Lifestyle: Reduzieren Sie das Rauchen. Ideal ist, wenn Sie ganz aufhören können. Aber erwarten Sie nicht, dass ein Monat nach dem Aufhören Ihre Beschwerden weg sind. Es kann Jahre dauern, bis der Körper mit den Rauchschäden fertig geworden ist. Eine Pancakarma Kur kann da viel schneller aufräumen und die Regeneration beschleunigen. Frischer Sauerstoff muss ins Blut und das erreichen Sie gut mit regelmäßigen Yoga Atemübungen. Überhaupt sind tägliche Yoga-Übungen ideal, weil ohne Aufwand in den eigenen vier Wänden und ohne Behinderung externer Faktoren praktiziert werden kann. Lassen Sie unbedingt Ihre Beschwerden wie Diabetes, erhöhten Cholesterinspiegel oder Bluthochdruck behandeln und kontrollieren. Unternehmen Sie jeden Tag einen halbstündigen Spaziergang in freier Natur.
(3) Arthrose (Gelenkabnutzung)
Wenn Gelenke durch Abnutzung geschädigt oder zerstört werden, spricht man von Arthrose. Sie ist im Gegensatz zu Rheuma eine nicht-entzündliche Gelenkerkrankung. Im letzten Viertel des Lebens sind alle Menschen von dieser Erkrankung mehr oder weniger betroffen. Sie ist eine typische Alterskrankheit. Übergewichtige und Frauen besitzen ein höheres Risiko. Arthrose kann im Grunde an allen Gelenken auftreten, am häufigsten jedoch an Wirbelsäule, Hüft-. Knie-, Fuß- oder Handgelenken. Eine langjährige Überbelastung der Gelenke durch harte körperliche Arbeit, Haltungsfehler, Verletzungen oder bei gewissen Formen auch Veranlagung kann eine Abnutzung begünstigen. Die moderne Medizin stellt sich auf den Standpunkt, dass solche Abnutzungen nicht rückgängig gemacht werden können: In schweren Fällen könne nur ein implantiertes Kunstgelenk eine Verbesserung bringen. Ansonsten werden schmerzlindernde und entzündungshemmende Arzneimittel verschrieben.
Hier ist Ayurveda ganz anderer Meinung und kann das in der Praxis belegen. Gelenke, auch abgenutzte, bestehen aus organischen Substanzen, lebendigem Gewebe. Bei mittleren oder milden Fällen hat der Patient durchaus gute Chancen, dass der Gewebestoffwechsel gut anspricht und sich neues Gewebe bildet. Als Resultat von solchen Anwendungen kann z.B. ein 81-jähriger Patient von mir seit 2 Jahren wieder in den Skiurlaub fahren oder eine 79-jähirge Klienten wieder ohne Gehhilfe in der Stadt spazieren gehen. Je früher und regelmäßiger mit Gegenmaßnahmen begonnen wird, umso länger werden die Beschwerden ausbleiben. Dass dieses Konzept in die korrekte Richtung weist, zeigen die jüngsten Bemühungen der Biotechnologie. Sie will aus Klientenzellen neues Knorpelgewebe züchten und implantieren.
Therapie: Die einfachstmögliche ayurvedische Therapie ist eine Kombination von medikamentöser Therapie mit Weihrauch- (Boswellia serrata) oder Myrrhepräparaten (Commiphora mukul) mit einer lokalen Applikation von medizinischen Ölen (Dhanvantara Thaila oder Murivenna Keram). Nachdem die ideale Dosierung, Medikament und Öl bestimmt wurden, kann der Patient bei sich zu Hause die Therapie selbst durchführen. Diese Behandlungen werden 3 bis 12 Monate, in manchen Fällen dauerhaft beibehalten. In regelmäßigen Abständen von 6 bis 8 Wochen kommt der Patient zu Folgekonsultationen. Nachhaltiger und schneller wirken stationäre Behandlungen von 2 oder mehreren Wochen. Dabei kommen ausleitende Therapien (Pancakarma) sowie intensive physikalische Behandlungen zum Einsatz.
Ayurveda betrachtet Arthrosen neben dem reinen Abnutzungseffekt auch als Stoffwechselerkrankung. Damit ist der primäre Stoffwechsel (Jatharagni) wie auch der Gewebestoffwechsel gemeint, insbesondere der Fett- und Knochengewebe-Stoffwechsel (Medoagni und Asthagni). Der enge Zusammenhang zwischen Fett- und Knochengewebe führt dazu, dass Medikamente, die für das Knochengewebe (schließt Knorpelgewebe mit ein) von diesem besser aufgenommen werden können, wenn sie in einem fettigen Medium verabreicht werden. (Wie in der Einleitung beschrieben, entsteht nach ayurvedischer Auffassung ein Gewebe aus dem Vorgängergewebe!) Der nächste wichtige Punkt, der sich aus diesem Zusammenhang schließen lässt, ist eine angepasste Ernährungsweise. Ein weiterer Zusammenhang besteht zwischen Dickdarmschleimhaut und Knochengewebe. Deshalb wirken nährende Klistier (Brimhana Vasti) äußerst günstig auf die Bildung von Knorpel und Knochengewebe.
Ernährung: Überwiegend steht die Arthrose im Zusammenhang mit der Bioenergie Vata und so kommt in vielen Fällen eine Vata reduzierende Ernähung zum Einsatz, d.h. warme, nährende und beruhigende Speisen. Natürliche Calcium Oxyde aus Eierschalen, Muscheln, Perlen oder Hirschhorn können als Nahrungsergänzung eingenommen werden. Zusätzlich sollten auch genügend Milchprodukte wie heiße Milch, Hüttenkäse, Buttermilch, Quark, Sahne und Yoghurt konsumiert werden. Bei Übergewichtigkeit können die Calcium Oxyde mit einer Kapha reduzierenden Ernährung eingenommen werden.
Lifestyle: Salben Sie nicht nur die schmerzenden Gelenke sondern den ganzen Körper zweimal in der Woche mit warmem Sesamöl oder noch besser mit eine (anti-) Vata-Öl ein. Lassen Sie dieses 30 bis 60 Minuten lang gut einwirken und nehmen Sie hernach eine warme Dusche oder ein heißes Bad. Am Besten setzen Sie sich dazu auf einen Schemel im gut beheizten Badezimmer oder Sie setzen sich ganz einfach in die Badewanne. Nach dieser Prozedur sollten Sie sich ½ Std. lang gut ausruhen. Da Arthrosen aus Fehlstellungen und -belastungen entstehen, wird Ihnen auch hier regelmäßig durchgeführtes Yoga gute Dienste leisten. Stimmen Sie die Übungen auf Ihre Beschwerden ab. Die Verbindung mit den gewebestärkenden Ölbehandlungen und dem Muskel aufbauenden und dehnenden Yogahaltungen ist ideal. Alle therapeutischen und präventiven Bemühungen richten sich darauf, ein schnelleres Fortschreiten zu verhindern und die Symptome zu lindern.
In der nächsten Folge: Osteoporose (Knochenschwund), Parkinson-Krankheit (Schüttellähmung) und Potenzstörungen.
Dr. Hans Rhyner
Arzt für Ayurveda und Philosophie
Lustmühle-Teufen, Schweiz