Ein Teil davon ist sicher konstitutionell bedingt. Er manifestiert sich in unserem Grundtypus. In den Konstitutionen, bei denen die Bioenergie Kapha prominent ist, wird die Libido etwas stärker ausgeprägt sein, als bei den anderen. Nicht umsonst spricht man im Volkmund von einem Vollblutweib oder von einem Mann wie eine Tanne. Das sind Bilder der Körperfülle. Das heisst nun aber nicht, dass Konstitutionen mit vorherrschendem Pitta oder Vata benachteiligt sind, sondern nur, dass die weniger stabilen und saftigen Typen die Energie fürs Libido zuführen müssen. Und da sind wir dann schon bei den externen Quellen für Libido angelangt, nämlich den aphrodisierenden Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmittel oder Therapien. Zu guter Letzt braucht es natürlich noch genügend Stimuli, um den ganzen Prozess in Gang zu setzten – die Perlenkette der Erotik oder eben ins Sanskrit übersetzt: die Kamasutra.
Ayurveda kennte seit der Antike zwei eigene medizinische Fachrichtung zur Steigerung und Erhaltung der Libido:
- Sexualmedizin (Vajikarana)
- Good-Aging (Rasayana). Letztere, nämlich Rasayana, bedeutet nichts Anderes als „im Saft zu bleiben“
Kommen wir zu praktischen Tipps und Verhaltensregeln. Hier müssen wir, wie Anfangs erwähnt die ayurvedische Typologie berücksichtigen. Doch selbst wenn Sie mit dieser nicht vertraut sind, helfen die Bilder der Elemente ein Gefühl dafür zu entwickeln. Ich hatte bereits erwähnt, dass es Menschen gibt, die von der Natur etwas begünstigt erscheinen – den Kapha, Kapha-Pitta und Kapha-Vata Typen. Das Erde-Wasser Element, welches für Kapha steht besitzt mehr körperliche Struktur und damit auch mehr Libido. Hier mangelt es aber an Leichtigkeit, Temperament und Stimuli. Sie brauchen einfach länger und mehr Impetus, bis sie in Fahrt kommen. Mein Ratschlag für diese Gruppe lautet deshalb, dass sie unbedingt aus ihrem langsameren bis lethargischen Verhaltensmuster herauskommen und für Stimulans sorgen müssen. Ein alle Sinne ansprechendes Ambiente, Kleidung, Parfums, leichte, gut gewürzte Speisen, ein Brut des Brut (trockener Champagner), erotische Geschichten und Phantasien bringen sie langsam aber sicher in Schwingung. Die Libido ist ja da, Sie müssen nur Ihre Sinne voll öffnen! Therapeutisch können anregende Pulvermassagen eingesetzt werden und falls nötig sollten gewebereduzierende und stoffwechselanregende Präparate wie langer Pfeffer (Piper longum) oder Ingwer verschrieben werden.
Als nächstes schauen wir uns den feurigen Pitta-Menschen an. Ihre mittlere Struktur führt auch zu einer mittleren Libido. Wenn zu viel Hitze entsteht, d. h. bei Übersäuerung, „verkohlt“ diese Struktur und verliert ihre Kraft. Kühlende, befeuchtende und nahrhafte aber nicht fettige Speisen sorgen für den nötigen Ausgleich. Sanfte Klänge, Komplimente und anmutige tänzerische Bewegungen sind äusserst erregend und halten gleichzeitig den Vulkan unter Kontrolle. Seien Sie nicht zu stürmisch, üben Sie sich im sanften Entfachen des Liebesfeuers. Alkohol, der ja jede Menge Feuer enthält, ist für Sie, wenn überhaupt, nur in ganz geringer Dosierung förderlich. Pitta Menschen besitzen ein Hang zu Luxus. Sorgen Sie deshalb für ein entsprechendes Ambiente. Die Pitta Prinzessinnen und Prinzen wollen mit allen Regeln der Liebekunst umgarnt, umworben und verführt werden. Durchaus reizvoll sind für Sie auch „Quickies“, wenn diese nicht zur Regel werden. Auf einer schwülen, tropischen Insel kann eine Klimaanlage Ihr Liebesleben retten. Ganzkörperölmassagen mit nicht erhitzenden, wohlriechenden Ölen sowie nährende, besänftigende Heilkräuter wie Shatavari (Asparagus racemosus) und Parfums wie Sandelholz und Vetiver verfehlen ihre Wirkung sicher nicht.
Zu guter Schluss betrachten wir die hoch sensiblen Vata und Vata-Pitta Frauen und Männer. Millionen von Empfindungen rasen gleichzeitig durch ihre Haut, Bäuche und Nervenbahnen. Wie in aller Welt können diese in körperliche Emotionen umgewandelt werden? Ja, das ist sicher kein leichtes Unterfangen. Sie müssen den Mut finden, auf die körperliche Ebene runterzusteigen, denn im Reich der Säfte finden alle Erregungen zu ihrem Höhepunkt. Und dort herrscht leider oft ein akuter Mangel an Substanz. Nährende Speisen und Getränke bauen die Körpergewebe auf und dies halt nicht in einem Tag. Es gehört auch Regelmässigkeit dazu. Weiter sollten Sie zweimal in der Woche eine Ganzkörpermassage mit wärmenden Ölen alleine oder mit Ihrem Partner durchführen. Falls notwendig können stark aufbauende Präparate wie die Wurzel der Schlafbeere (Withania somnifera) oder Mucuna Bohnen verschrieben werden. Wenn Sie sich an diese Regeln halten, ist auch für eine Vata-Konstitution genauso viel Sex wie für andere Typen drin. Sie sehen, Ayurveda vergönnt niemanden die angenehmste aller sinnlichen Empfindungen.
Dr. Hans Rhyner
Arzt für Ayurveda und Philosophie
Lustmühle-Teufen, Schweiz